Kategorie: Staffel 2018
Aller Anfang ist
Vor jedem Anfang
Kommt das Aufräumen
Eine Kastentüre ist noch offen
So kann man natürlich nicht beginnen
Vor jedem Anfang
Sollte man Leib und Seele stärken
Ich mach mir noch einen kleinen Kaffee
Und ein Butterbrot
Vor jedem Anfang
Fällt mir noch was Wichtiges ein
Die Stromrechnung ist zu bezahlen
Und den Soundso sollten wir dringend anrufen
Vor jedem Anfang
Schaue ich auf die Uhr:
Es ist schon bald Zeit, für heute aufzuhören
Da fang ich nichts mehr an
Als der Kosmos sich selbst erkannte.
Da die Ewigkeit ziemlich dauert – selbst am Anfang – war es ihm oft langweilig. Weil damals aber noch überhaupt gar nichts war, erfand er Spiele. Das Spiel, das ihm am besten gefiel, nannte er Raumfluktuationen. Es brachte ihn über die erste, doch schwierige Zeit, die es ihrerseits in der dieser Form noch gar nicht gab.
Meist verpufften diese Fluktuationen sofort, weil halt Materie und Antimaterie. Keine große Sache, nicht mal wie ein Tischfeuerwerk. Manchmal aber war es schon ganz prächtig. Da entstand für eine Sekunde ein ganzer Kosmos mit fast allem Drum und Dran. Okay, zugegeben ohne primordiale Nukleosynthese, doch ganz was Ordentliches im Vergleich. Und war fast so schnell wieder weg.
Indes, eines Tages hatte er höchst dumm geschaut! Sofern man das von „Ihm“ überhaupt ungestraft sagen darf. Zackbumm, hier ein Phasenübergang, dort eine Asymmetrie, dann eine Hyperinflation, schon war das schönste Universum geschaffen. So schnell konnte selbst er kaum schauen. Es war der einzige Tag ohne gestern, der erste Tag überhaupt. Davor gab es keine Tage, es gab ja auch keine Zeit. Er nannte ihn „Sonntag“, obwohl Sonne gab es dort noch keine. Das wollte er schnell nachholen.
Sieben Tage gab er sich Zeit. Es sollte sich hinziehen, stellte sich später heraus. Machen wir’s kurz. Das Universum wuselte vor sich hin. Ging auf wie Hefeteig. Ließ dann irgendwann mal das Licht durch, fing an, sich an unzähligen Stellen zu verklumpen. Nicht ohne akribisch alle Drehmomente und Energie und Materie in Summe zu erhalten. Was herauskam, kennt man: Sterne, Galaxien, Planeten, Monde und sonst noch eine Menge Kram.
Dann war außer denen lange nix. Dann Bakterien. Viel später dann einer, der sagte sich: Ich! Das Missverständnis dabei war, dass er glaubte, dieses „Ich“ sei der Raum innerhalb seiner Haut. Nein, wer hier „ich!“ sagte, war der Kosmos, der erstmals in dieser Geschichte zu Bewusstsein kam: Sternenstaub, der aus heiterem Himmel denken konnte und erkannte, dass es ihn gibt. Halleluja.
Altersglimmen
Wohl dem, dessen Haupt sich schon in jungen Jahren seinen Weg himmelwärts durch die Frisur bahnt. Wohl der, die schon im Spiegel in der Disco ihre ersten Fältchen entdeckt. Gesegnet der jung Ergraute! Begnadet die früh an Hinfälligkeiten Herumdokternden. Denn ihnen bleibt erspart, allzu lange der Illusion zu verfallen, jung, immer jung zu sein.
Kritisch wird die Sache, wenn die Zehnerstelle der Altersringe auf einen Wert springt, der keine Ausreden mehr zulässt. Neunundvierzig Kerzen hält eine gewöhnliche Geburtstagstorte locker aus. Bei fünfzig ächzt sie unter Wachsgewicht und Flammenhitze und verwandelt sich ohne naheliegenden Feuerlöscher in eine Gefahr für Haus, Hof und Leben.
Lange tuckert der, dessen Augen für die Anzeichen körperlichen Verfalls verschlossen blieben, läppisch von einem Jahr zum anderen, als gäbe es Jahre im Überfluss. Nichts, was man zu Ende bringen müsste, nichts, was sich nicht auf irgendwann verschieben ließe.
Doch kaum wird die magische Grenze überschritten, läuft der Zähler plötzlich schneller. Die nächsten dreihundertfünfundsechzig Tage fließen durch die Finger wie Wasser. Keine Chance, sie festzuhalten. Du rufst „Halt“, doch läufst weiter im sprichwörtlichen Hamsterrad. Du könntest auch gar nicht anders, denn wenn du es nicht weiterdrehst, dreht das Rad dich und schleift dich mit wie nasse Wäsche in der Waschmaschinentrommel.
Abspringen? Keiner hat uns auf diese Situation vorbereitet. Pubertät und Midlife-Crisis, okay, davon redet jeder und die Buchregale biegen sich unter der dazugehörenden Literatur. Aber die Krise, die man erlebt, wenn man eines Tages aufwacht und über Nacht alt geworden ist, wer redet davon? Vielleicht deshalb nicht, weil das Altern ab dem Punkt X viel zu schnell geht. Und weil es sich fast unbemerkt einschleicht. Oder, weil man es aushält. Wie anderes Unliebsames. Vielleicht sollten wir die Bremse drücken und trotz Glatze, grauer Haare, Falten und Wehwehchen fühlen, dass im Herzen unsere Jugend bis ans Ende glühen kann.