Kategorie: Staffel 2017

Der unerwünschte Bote.

06 Bote

Optimismus ist erste Bürgerpflicht. Aber sie wird einem Anfang des 21. Jahrhunderts ziemlich vermiest. Okay, um ehrlich zu sein, es war schon öfter so. Schuld daran ist immer der gleiche Kerl. Der unerwünschte Bote. Schon vor der Sintflut war er da, sagte, kauft euch Luftmatratzen. Keiner schenkte ihm Glauben.

Dann verkündete er den Tod von Elis Söhnen Hofni und Pinchas. Wenn du nur schlechte Nachrichten hast, bring besser keine, ließ man ihn wissen. Ein gewissenloser Bote richtet Unheil an, ein zuverlässiger bringt Heilung, Spruch 13,17. Danach reiste er zu Nero, Jesus, Montezuma. Immer das gleiche Dilemma. Dann vor dem Ersten Weltkrieg und vor dem Zweiten. Mahnungen, Zeichen, Pamphlete. Nutzlos. Wie will er das wissen können?

Aber er ist unbeugsam und kommt regelmäßig wieder. Manchmal hat er – Gott sei Dank – unrecht, Kubakrise und Waldsterben haben wir fast schadlos überstanden. Gentechnik, Atomkraft, was weiß der denn schon.

Jetzt ist er wieder da. Sagt, das schaut schlecht aus. Extrem schlecht. Verkauf das Auto, fahr Rad, bete, auch wenn du an nichts als den Profit glaubst. Denn fliehen kann diesmal keiner. Und wieder sind uns seine Prophezeiungen zu pessimistisch.

Dabei könnte der Optimist sonst Grund zur Freude haben. Es fallen Verkehr (3.500 pro Tag), Malaria (1.200 pro Tag) Aids, Ebola und absoluter Armut weltweit immer weniger Menschen zu Opfer, in Europa auch dem Terrorismus (unter 1 pro Tag). Seit 70 Jahren gibt’s keinen Krieg zwischen den großen Nationen.

Aber das interessiert den unerwünschten Boten angesichts der unsäglichen Dimension des Kommenden wenig. Die Pest damals war ein Kinderspiel dagegen, lässt er uns wissen. Denn, so sagt er, der Wirklichkeit ist es scheißegal, woran wir glauben. Die Natur macht, was sie will, mit dem was wir tun oder lassen. Und ihr Wille heißt Naturgesetz. Schaut rauf zur Venus: CO₂-Atmosphäre, 400 Grad Bodentemperatur. Wer das als lebensfreundlich empfindet, der trete weiter aufs Gas und spotte den unerwünschten Boten einen korrupten Lügner.

Gottes Tod

05-gott

Plötzlich fällt es einem wie Schuppen von den Augen, dass nicht der gute Alte mit grauem Bart die Menschen, sondern umgekehrt die Menschen den guten Alten mit grauem Bart erschaffen haben. Aber was nun? Kein Himmel, keine höhere Bestimmung, kein Trost, keine Aussicht auf Gerechtigkeit im Jenseits. Nur ein grundloses Diesseits, Aussicht auf Krankheit im Alter und ein absolutes Ende des eigenen Ichs ohne irgendeine paradiesische Fortsetzung.

Das scheint bitter. Wie süß und schön waren Gebet, Bibelgeschichten, Kirchen, Engel, Auferstehung! Aber bietet das Fatale am Atheismus nicht auch Chancen? Zum Beispiel die, endlich der Wirklichkeit ins Auge zu sehen. „Der Herrgott wird’s schon richten“, damit ist dann fertig. Richten können es nur ich oder du. Und wenn wir uns nicht darum kümmern, dann eben Trump und Putin. Du und ich, wir haben die Wahl.

Vielleicht lenkt die gottlose Sicht unseren Blick auf handfeste statt angebliche Wunder. Beispielsweise dem, dass wir tatsächlich weiterleben, nämlich in unseren Kindern oder in den Spuren, die wir in dieser Welt in Form von Anekdoten und Schrulligkeiten, Hass und Verbrechen oder Wissen, Kreativität, Wohltaten und Liebe hinterlassen. Man fühle selbst nach, was Großeltern und Eltern an Schätzen und trojanischen Pferden in uns zurückließen.

Und angesichts dessen, was uns die Wissenschaft eröffnet – von der zehn hoch minus x-ten Sekunde nach dem Urknall bis hin zum fernen Entropietod des Universums – ist doch das Staunen über die Welt und das Leben noch viel größer geworden. Wenn wir uns dank dieses Wissens erfahren als Sternenstaub, der sich seiner selbst bewusst geworden ist und der sich Fragen über die Welt und das Leben stellen kann, bringt das Spiritualität und Transzendenz doch auf eine noch höhere Ebene. Weil noch klarer wird, dass diese Wirklichkeit nicht selbstverständlich ist. Ohne Jenseits wird das Diesseits umso wichtiger. Ohne Gott gelten keine Ausreden: Wir sind selbst gefordert, die Welt zu einem guten Ort zu machen.