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Der Patient, der die Heilung auf nach dem Tod verschob.

 

08 Patient

Erst bist du jung und doof. Quetschst dir mal einen Finger, holst dir was Tropisches, trinkst Kaffee literweise, bleibst in verqualmten Buden endlos wach und probierst, was das Hirn kirre macht. Trotzdem alles eitel Wonne.

Dann bekommt ihr Kinder und einen Hund, du wirst solider, isst weniger Schweinereien, drehst mit Kinderkarre und Köter täglich Runden durch den Regen. Und dann, dann fällt dir mal was auf. Nichts Beängstigendes. Dein Arzt meint, das hab‘ ich auch, das geht nicht weg. Mach dies und das, dann wird’s vielleicht besser.

Es bleibt. Irgendwas anderes kommt dazu. Mag sein etwas im Untergestell oder in der Schulter. Massage? Ja, gern! Physiotherapie? Okay, wenn ich selbst nichts machen muss. Fitnessstudio? Im Geheimen hast du zudem mal gedacht, du hättest eine Meise. Aber zum Psychiater?

Etwas später die Augen. Eine Brille fürs Fernsehen. Eine fürs Auto. Dann eine für den ganzen Tag. Du sitzt mit Kollegen im Gasthaus und es scheint, als drängten die Worte nicht mehr vollständig vom Ohrwaschel ins Sprachzentrum deines Oberstübchens.

Im Spiegel siehst du noch den, der dir aus dem ersten Führerschein entgegensah. Aber dieser Schein trügt. Ein Blick aufs Ausstellungsdatum sagt: Du bist schon zwei- bis dreimal älter als damals.

Die Lösung? Besseres Verdrängen, effizientere Schmerzmittel? Nein, was zu tun wäre, ist klar. Doch heute ist keine Zeit dafür. Ich muss noch die Nachrichten ansehen, dann essen und einen Blick ins Facebook werfen.

Aber morgen geht’s los, oder übermorgen. Das wird sonst immer schlimmer. Oder könnte es besser werden? Obwohl man älter wird? So geht es weiter. Statt seinen Körper als Tempel zu erkennen (des Rastafaris vielleicht einzig leuchtende Erkenntnis!), in dem die Seele sich eingerichtet hat, bleibt er deren schlecht gewartetes Vehikel. Man ist froh, solange es noch ruckelt. Reparaturen verschiebt man auf die Zukunft. Nur: Wenn diese Kiste wirklich kaputtgeht, kann man sich auch bei noch so aufrichtiger Reue keine neue mehr kaufen.